Klappern gehört zum Handwerk. Und eine der vornehmsten Aufgaben des Marketing lautet: Stelle Sichtbarkeit her! Aber: Wie sichtbar sind wir? Übersetzt in E-Mail-Marketing-Deutsch könnte man auch fragen: Wie ist die Öffnungsrate? Die spannende Frage lautet nun: Was wird denn da gemessen? Und stimmt das überhaupt?
Die Freunde der strikten Abverkaufs-Orientierung (vulgo: hard selling) rufen jetzt natürlich erst mal: Das ist doch gar nicht relevant! Was zählt ist der Umsatz.
Das ist aber nur „fast“ richtig: Jede geöffnete Mail hat einen Branding-Effekt. Ungeöffnete übrigens auch (das bezeichnet man als Nudget-Effekt, siehe dazu den lesenswerten Artikel von Dela Quist, den wir hier verlinkt haben). Und dann ist es natürlich spannend, diese ominöse Öffnungsrate möglichst akkurat zu messen.
Ein kurzer Ausflug in die Tiefebenen der Technik: Die Öffnungsrate einer Mail wird gemessen, indem der Abruf eines Bildes während des Öffnens gemessen wird. Dazu wird in die meisten Mails ein sogenanntes „Zählpixel“ eingebaut. Diese Messung ist aus verschiedenen Gründen nicht exakt:
1. Wird mehrfach geöffnet (z.B. weil man die Mail einmal im Vorschaufenster anschaut und sie dann per Doppelklick „richtig“ öffnet) wird doppelt oder mehrfach gezählt.
2. Wird kein Bild abgerufen, zum Beispiel wegen fehlender Internet-Verbindung (selten) oder wegen unterdrückten Bildern (sehr häufig!), wird die Öffnung nicht gezählt.
Zu 1.: Diese Doppelöffnungen lassen sich recht einfach filtern (und die meisten E-Mail-Marketing-Systeme tun das auch), aber nur wenn die Öffnungen personenbezogen gemessen werden. Wer immer dem nicht zustimmt, dessen Klicks dürfen nicht so ausgewertet werden. Sie ahnen es: Vermutlich ist der Graubereich bei diesem Thema ziemlich groß. Dass sich allerdings jemals ernsthaft ein Abonnent damit in seinen Rechten eingeschränkt fühlte, kann man allerdings nicht behaupten, es ist eher ein Randthema für juristisches Florett-Fechten.
Zu 2.: Dieses Problem ist wesentlich bedeutsamer. Wir alle (zumindest diejenigen die Googlemail oder Outlook nutzen), kennen die Mails mit unterdrückten Bildern. Eingeführt wurde das Prinzip von Microsoft vor rund 10 Jahren, mit der Begründung „Schutz der Privatsphäre“ – denn schließlich ist das Messen der Öffnungsrate eine Art „Ausspionieren“: Schaut her, der Empfänger sitzt JETZT vor dem Bildschirm und liest JETZT unsere Mail. Ja, Microsoft war Datenschutz schon immer besonders wichtig, ehrlich jetzt.
Mit Einführung der Bild-Unterdrückung gingen die (gemessenen) Öffnungsraten in den Keller, vor allem im B2B-Umfeld (Outlook sei Dank). In meinem Unternehmen rabbit eMarketing, in dem ich damals den inoffiziellen Posten als „E-Mail-Marketing Vordenker“ innehatte, suchte ich nach einer Lösung. Und die geht so:
Berechnung der POR
Was man problemlos messen kann, sind Klicks auf Links in Mails, die nicht geöffnet wurden (oder genauer gesagt: die geöffnet wurden – sonst könnte man ja auf keinen Link klicken – aber deren Öffnung nicht gezählt wurde). Angenommen, man hat eine (gemessene Öffnungsrate von 20% und eine Klickrate von 4%: Dann hat jeder 5. auch geklickt. Ist nun die Klickrate von Mails, die (scheinbar) NICHT geöffnet wurden, bei 1%, dann gibt es auch eine ganze Menge Menschen die (nicht messbar) geöffnet aber NICHT geklickt haben. Im obigen Beispiel: 5 Mal so viele (den jeder 5. hat ja geklickt).
Zusammengefasst: Öffnungsrate (OR1): 20%
Klicks bei Öffnern (CR1): 4%
Klicks, aber (scheinbar) nicht geöffnet (CR2): 1%
Hochgerechnete Öffnungsrate: POR=OR1+(OR1*CR2)/CR1: 20%+5% = 25%
Viele E-Mail-Marketing-Systeme geben im obigen Fall übrigens eine „korrigierte“ Öffnungsrate von 21% aus – mit der (richtigen) Begründung, dass Klicks in scheinbar nicht geöffneten Mails (hier: 1%) auf jeden Fall zur Öffnungsrate hinzugezählt werden müßten, denn wo keine Öffnung, da auch kein Klick.
Die Projected Opening Rate gibt die tatsächliche Öffnungsrate so akkurat wie möglich an. Sie ist vermutlich immer noch unterzeichnet: Denn sie geht davon, aus, dass das Verhältnis Öffnungen zu Klicks bei Mails mit Bildern identisch ist zu dem von Mails ohne Bildern. Aber das ist immer noch nicht korrekt: Denn Mails mit Bildern werden besser geklickt, und zwar gerade AUF die Bilder. Das heisst: Im obigen Fall ist das Verhältnis zwischen Öffnern und Klicks bei unterdrückten Bildern wohl schlechter als 1 zu 5. Falls es z.B. 1:7 wäre, würde dies bei einer gemessenen Klickrate von 1% bedeuten, dass die Öffnungsrate eben nicht bei 25%, sondern sogar bei 27% liegt. Dies liegt aber im Bereich von Kaffeesatz.
Die POR spielte lange ein Schattendasein: Für Inxmail gab es eine App, die die POR aufführte, aber eingestellt wurde. In letzter Zeit kam Bewegung in die Diskussion: Seit kurzem ist die POR bei Mailion von X-Queue verfügbar (einem der innovativsten Anbieter überhaupt), und bereits vor über einem Jahr wurde die POR von Evalanche (ebenfalls sehr bekannt für seine Innovationsfreude) als Kennzahl eingeführt.
Was fangen wir damit an?
Die POR ist die beste Näherung zu Öffnungsraten, die auf dem Markt verfügbar ist. Für alle, die die Qualität ihrer Betreffzeilen und die Qualität ihrer Werbemittel (als Verhältnis zwischen Öffnungs- und Klickrate) möglichst genau messen wollen, ist sie eine attraktive Zusatz-Information. Und: Sie macht die Öffnungsrate größer. Ihr Chef wird begeistert sein 😉. Size matters! Vor allem im Marketing.
Viel Spaß mit der neuen / alten Kennzahl!
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